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Anwendungsbeispiel des Paretoprinzips: Stacked Ranking

Dieser Artikel gehört zur Artikelserie über das Paretoprinzip.

In dem Artikel Der Nachbrenner für das Paretoprinzip: Rekursion habe ich die Anwendung der Rekursion bei der Paretokurve anhand des Beispiels von Vertriebsmitarbeitern dargestellt und ihre (theoretisch) unterschiedliche Leistungsfähigkeit gezeigt. Die ‚20%-Mitarbeiter‘ waren dabei für jeden Durchlauf (Iteration) jeweils 16 mal so produktiv wie die ‚80%-Mitarbeiter‘.

Auf die Idee, die unterschiedliche Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter systematisch auszunutzen, sind – vor allem in den USA – schon etliche Firmen gekommen. Und eine dieser Spielarten möchte ich hier betrachten: das Stacked Ranking.

Die Idee hinter dem Stacked Ranking (auch: Forced Ranking, Forced Distribution, Rank and Yank, Quota-Based Differentiation) ist die, dass der Personalstamm eines Unternehmens zu 20% aus überdurchschnittlichen Top-Leistern (A-Player), zu 70% aus gut arbeitenden (produktiven, vitalen) Mitarbeitern (B-Player) und zu 10% aus unproduktiven (schlechten) Mitarbeitern (C-Player) besteht.

Dies lässt sich grafisch in der Vitalitätskurve (Vitality Curve) darstellen, die stark an die klassische Glockenkurve erinnert:

Die Vitalitätskurve (Vitality Curve) des Stacked Ranking

Die Idee zu dieser Art der Mitarbeiterbewertung scheint wohl von dem sehr bekannten und sehr erfolgreichen ehemaligen CEO des US-Unternehmens General Electric, Jack Welch, zu stammen.

Die Idee von Welch war, die Top 20% möglichst zu befördern oder anderweitig zu belohnen und die schlechten 10% (‚Low-Performer‚) zu entlassen. Falls man dann ‚bessere‘ neue Mitarbeiter als die entlassenen 10% einstellt, sollte so theoretisch die Leistungen der Mitarbeiter durch fortgesetztes ‚Aussieben‘ immer weiter ansteigen.

Diesem Artikel zufolge aus dem Jahre 2013 wurde diese Methode im Jahr wohl von 12% aller US-Unternehmen genutzt und fand im Jahre 2012 offenbar bei 60% der Top-500 US-Unternehmen (Fortune 500) Anwendung .

Die Idee ist hinter dem Stacked Ranking ist also, die ungleiche Verteilung der Arbeitsleistung der Mitarbeiter zum ‚Aussieben‘ der ’schlechten‘ zu benutzen. Die entlassenen 10% werden dann wieder durch Neueinstellungen ersetzt. Die Mitarbeiter eines Unternehmens sollen durch ‚Zuckerbrot und Peitsche‘ motiviert werden, Höchstleistung für das Unternehmen zu bringen. Und sie können sich nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen, denn sie werden jedes Jahr neu bewertet (und eventuell entlassen).

Das Stacked Ranking wird dabei nicht nur auf Mitarbeiter ohne Führungsaufgaben angewendet, sondern auch auf Führungskräfte.

Die Befürworter des Stacked Ranking führen den großen wirtschaftlichen Erfolg von General Electric auf die Anwendung dieses Instruments zurück. Neben General Electric nutz(t)en beispielsweise auch Microsoft, IBM, Yahoo, Motorola, Enron und Dow Chemical dieses System.

Das Stacked Ranking ist nicht ohne Kritik geblieben. Die Arbeitsatmosphäre innerhalb eines solchen Unternehmens ist von Wettbewerb statt von Zusammenarbeit geprägt und natürlich auch von Angst.

Außerdem stellt sich natürlich die Frage, wie man denn ‚objektiv‘ die Leistung der Mitarbeiter misst und ob hier eine kurz- einer langfristigen Betrachtung vorzuziehen ist.

William Edwards Deming, einer der ‚Väter‘ des Lean Managements und wichtiger Faktor von Japans atemberaubender wirtschaftlicher Aufholjagd nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, hat beispielsweise gelehrt, dass die Leistung eines Mitarbeiters zu über 90% von dem System, in dem er sich im Unternehmen bewegt, abhängt und nur zu einem geringen Teil von ihm selber. Er hat das sehr anschaulich dargestellt an seinem berühmten Rote-Perlen-Versuch (Video).

Ich möchte nicht in einem Unternehmen arbeiten, in dem das Stacked Ranking zur Anwendung kommt, sondern dort, wo man kooperativ im wahrsten Sinne des Wortes zusammenarbeitet und sich gegenseitig hilft. Ich bin auch auf der Linie von Dr. Deming, wonach die Arbeitsleistung im wesentlichen von den Systemen im Unternehmen bestimmt wird.

Mir ist klar und ich weiß, dass es Arbeitnehmer gibt, die sich möglichst nicht ‚überarbeiten‘, doch meiner Erfahrung nach befinden sie sich in der deutlichen Minderheit. Ich habe im Gegenteil schon etliche Kolleginnen und Kollegen erblebt, die auch nach Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber im Rahmen von ‚Kosteneinsparungen‘ noch bis zum Ende volle Leistung gezeigt haben.

Ich meine, man muss sich im Zweifel schon wirklich sehr genau anschauen, in welchen Bereichen man das Paretoprinzip oder ein anderes Prinzip, das auf der Ungleichverteilung von Ursache und Wirkung basiert, anwendet und darf dabei nicht mit ‚Scheuklappen‘ agieren. Henry Hazlitt hat in seinem großartigen Buch Economics in One Lesson* formuliert: ‚The art of economics consists in looking not merely at the immediate but at the longer effects of any act or policy; it consists in tracing the consequences of that policy not merely for one group but for all groups‘.

Dies ist der vorerst letzte Artikel zum Thema Paretoprinzip (80/20-Prinzip). Ich habe eine Liste mit Büchern zum Paretoprinzip für Sie zusammengestellt.



Dieser Bücherliste zum Paretoprinzip finden Sie hier.

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