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Gegen das Vergessen

Ich habe mich in den letzten Monaten im Rahmen meiner ITIL-Zertifizierungen mit allen ITIL-Lifecycles und danach auch mit PRINCE2 beschäftigt. Die fünf ITIL-Lifecycle-Bücher wiegen beispielsweise in der Darreichungsform ‚toter Baum‘ circa 8 Kilogramm. Dabei habe ich eine Menge Wissen aufgenommen. Doch wie soll ich dieses Wissen behalten?


Die Fragestellung ist natürlich allgemeinerer Natur. Wie sorgt man dafür, dass man aufgenommenes Wissen (genauer: Faktenwissen, deklaratives Wissen) nicht vergisst?

Das Problem ist nicht neu. Der Psychologe Hermann Ebbinghaus hat schon 1885 dazu das Buch Über das Gedächtnis: Untersuchungen zur experimentellen Psychologie verfasst. Seine Vergessenskurve zeigt auch, wie erschreckend schnell Menschen vergessen.

Die Lösung für das Problem des Vergessens von Fachwissen besteht in dessen Wiederholung. Und die Wiederholung kostet bei umfangreichem Fachwissen viel Zeit. Glücklicherweise hat die empirische Forschung gezeigt, dass man die Zeiträume zwischen den Wiederholungen des Stoffes mit zunehmender Anzahl der Wiederholungen immer weiter verlängern kann, ohne einen substantiellen Wissensverlust in Kauf nehmen zu müssen.

Meine Implementierung der Lösung sieht so aus, dass ich mir in einer Tabellenkalkulation eine Leseliste angelegt habe, die das wiederholte Lesen von Büchern in Intervallen ansteigender Länge unterstützt.


Meine Leseliste

Ganz links befindet sich eine fortlaufende Numerierung, die keinen wirklichen praktischen Nutzen hat, aber man ist ja ordentlich 😉 Daneben befindet sich eine Spalte mit den Buchtiteln. Wie man in dem Beispiel sehen kann, habe ich ein eBook, das mir als PDF vorliegt, gleich verlinkt. Rechts neben dem Buchtitel steht eine Wiederholungsstufe, anhand derer der zeitliche Abstand bis zur nächsten Wiederholung bestimmt wird. Dazu komme ich gleich. Daneben befindet sich dann das Datum, an dem ich das Lesen des Buches abgeschlossen habe.  Da man ja für manche Bücher Tage benötigt, bis man sie durchgelesen hat, ist es sinnvoll, sich entweder für das Startdatum oder das Endedatum des Durchlesens zu entscheiden. Ich habe mich für das Endedatum entschieden, weil die Abstände zwischen den Lesungen teilweise geringer sein können als die Zeit, die man für das Lesen des Buches benötigt. Anhand des Datums der letzten Lesung und der Wiederholungsstufe (Nächste Stufe) wird dann das Beginndatum für die nächste Lesung berechnet und sowohl als Datum als auch als ‚Countdown‘ in Tagen angezeigt. In dem Beispiel sieht man, das die nächste Fälligkeit für das Buch PRINCE2 kurz und bündig der 9. Februar, also in drei Tagen ist. Ich werde also dieses Buch ab dem 9. Februar erneut lesen. Nach jedem Lesevorgang aktualisiere ich das Datum in der Spalte Zuletzt gelesen und erhöhe den Wert für die Nächste Stufe um eins.

Den Wiederholungsstufen sind folgende Zeitintervalle zugeordnet:

Intervalle für die zeitliche Wiederholung

Die Intervalle habe ich mir nicht selbst ausgedacht, sondern einer Webseite entnommen, die mir seriös erschien. Wie man sieht, sind die Intervalle zu Beginn sehr eng und damit zeitintensiv, vergrößern sich dann aber nach einigen Wiederholungen auf besser handhabbare Werte.

Realisiert habe ich meine ‚Leseliste gegen das Vergessen‘ mit der Cloud-Tabellenkalkulation von Google. Auf einem Tabellenblatt befindet sich eigentliche Leseliste, auf einem zweiten die Tabelle mit den Intervallen. Über die VLOOKUP-Funktion werden dann die Intervalle von diesem zweiten Tabellenblatt ausgelesen und zum Datum der letzten Lesung addiert. Die Einfärbung für den ‚Countdown‘ habe ich mit der Bedingten Formatierung realisiert. Ist der Countdown < 1 (=fällig), wird ein Eintrag rot, ist der kleiner als sieben (also weniger als eine Woche bis zur Fälligkeit), wird er gelb markiert. Bei sehr umfangreichen Leselisten könnte man die Tabelle noch mit der Sortierung oder Filterung nach der nächsten Fälligkeit veredeln.

Beim ‚Einlasten‘ von neuem Lesestoff muss man darauf achten, eine große ‚Lücke‘ zu finden, so dass man möglichst die ersten Wiederholungsintervalle ‚ungestört‘ zu den vorgesehenen Zeitpunkten umsetzen kann. Bei Konflikten in der Wiederholung (Bücher sind zum gleichen Zeitpunkt zur Wiederholung fällig) würde ich jeweils dem Buch mit dem kleineren Wiederholungsintervall (Nächste Stufe) den Vorrang geben, da ja die Intervalle mit zunehmender Wiederholung immer größer werden und es dann später wohl nicht mehr auf ein paar Tage mehr bei der Wiederholung ankommt.

Die ‚Leseliste‘ lässt sich natürlich auch auf andere Medien ausdehnen, wie Youtube-Videos oder Präsenz-Veranstaltungen.

Man darf von der Anwendung des hier beschriebenen Spaced-Repetition-Ansatzes sicherlich nicht erwarten, dass man das Wissen eines Buches stets vollständig abrufbar hat, aber zumindest, dass man die wesentlichen Sachverhalte einigermaßen präsent hat.

Welche Techniken nutzt ihr, um euer Fachwissen verfügbar zu halten?





#wissensmanagement

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