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Wertorientierte Preisgestaltung (Value Based Pricing)

Ich habe bereits einen Artikel über die Preisgestaltung geschrieben und möchte mich heute mit der wertorientierten Preisgestaltung (Value Based Pricing, VBP) beschäftigen. Angeregt dazu wurde ich über ein eBook, das ich am Ende des Artikels verlinke.


Cost-plus Pricing

Die klassische Art der Preisgestaltung ist der Aufschlag eines Gewinns auf die eigenen Kosten (Cost-plus Pricing).

Bei dieser Preisstrategie besteht kein direkter Zusammenhang zwischen dem Preis, den der Kunde bezahlt und dem Wert des Produktes oder der Dienstleistung. So mag eine Dienstleistung den Kunden 5.000 Euro kosten, ihm aber eine Gewinnsteigerung von 250.000 Euro ermöglichen.

Oftmals werden dem Kunden beim Cost-plus Pricing im Dienstleistungsbereich Arbeitsstunden in Rechnung gestellt. Je mehr der Dienstleister in Rechnung stellen kann, desto besser für ihn. Der Dienstleister verkauft also oft möglichst viele Stunden zu einem möglichst hohen Preis an den Kunden. Da die 'Ware' hier eine Arbeitsstunde ist, besteht eine Tendenz dazu, verschiedene Anbieter über den Preis zu vergleichen. Die Leistung der Anbieter wird als gleichwertige 'Handelsware' (Commodity) wahrgenommen und die Differenzierung erfolgt dann oftmals über den Preis und die Zahlungsbedingungen. Daraus resultiert dann ein permanenter 'Preisdruck nach unten' für den Anbieter.

Neben dem unvermeidlichen Interessenkonflikt zwischen dem Kunden und seinem Dienstleister hat dieser Ansatz den Nachteil, dass die verrechenbaren Stunden in einer Periode, zum Beispiel einem Jahr, begrenzt sind und damit auch das Verdienstpotential. Der Dienstleister 'bestraft' sich außerdem selber, wenn er besonders schnell arbeitet und dadurch dem Kunden weniger Stunden in Rechnung stellen kann.

Die eigene Kostenstruktur kann auch durchaus unvorteilhaft in bestimmten Wettbewerbssituationen sein, beispielsweise aufgrund von Komplexitätskosten. Dies ist für den Kunden jedoch nicht von Belang, ihn interessiert vor allem ein möglichst niedriger Preis.


Wert statt Zeit verkaufen

Einen anderen Ansatz verfolgt hingegen die wertorientierte Preisgestaltung. Hier wird dem Kunden nicht Arbeitszeit verkauft, sondern ein Mehrwert. Der Kunde bezahlt einen Festpreis, für den er eine vorab definierte Leistung erhält, von der er sich einen von ihm vorab ermittelten geschätzten Wert verspricht. Der Preis für die Dienstleistung wird so von einer Ausgabe zu einer Investition mit einer erwarteten Investitionsrendite (Return on Investment, ROI). Basis der Preisfindung ist dabei der erwartete Mehrwert für den Kunden.

In diesem Szenario 'belohnt' sich der Anbieter selber, wenn er schnell arbeitet. Auch für seinen Kunden ist dies von Vorteil, denn er erhält seine Investition schneller zurück. Der Anbieter hat bei diesem Preisbildungsansatz auch die Möglichkeit, Arbeitsergebnisse, die er im Rahmen von vorhergehenden Aufträgen erarbeitet hat, dem aktuellen Kunden zu einem höheren Preis zu verkaufen. Ein Beispiel ist eine Software-Lösung, die ein Anbieter für einen früheren Kunden entwickelt hat und für die beim neuen Kunden nur der Installationsaufwand anfällt.

Verfolgt man den Ansatz der wertorientierten Preisgestaltung, ist der Angebotsprozess allerdings deutlich aufwändiger. Der Anbieter muss in intensiven Gesprächen mit dem potentiellen Kunden zuerst einmal ermitteln, was der Kunde genau möchte. Wo hat er seinen 'Schmerz'? Was sind seine Ziele? Wie genau sieht es aus, wenn der Kunde seine Ziele erreicht hat? Wie kann er das messen und einen Wert dafür festlegen? Man sollte folgerichtig als Anbieter auch nicht gleich zu Beginn über einen Preis sprechen und damit die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund stellen. Erst muss der Kunde ein 'Preisschild' an den Wert der Dienstleistung für sich machen, danach kann der Anbieter dann einen Preis nennen.

Beispielsweise könnte der Kunde das Ziel haben, mit einer neu gestalteten Webseite mit E-Commerce-Funktion seinen jährlichen Umsatz um 250.000 Euro zu steigern. Das ist ein klar quantifizierbarer Wert. Der Anbieter kann nun entsprechende Dienstleistungen anbieten und die Festpreise an diesem Wert ausrichten. Die Festpreise können sich grob im Bereich von 10% bis 20% des erwarteten Wertes für den Kunden orientieren.

Wichtig ist für den Anbieter, sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Der Anbieter verkauft beispielsweise nicht einfach Web-Designer-Stunden, sondern seine individuellen Fähigkeiten, Talente, Kreativität und Erfahrung. Er differenziert sich also nicht mehr über den Preis vom Wettbewerb und macht sich dadurch weniger vergleichbar (die Volkswirte sprechen dann, wenn Güter, wie hier die Leistung der Webdesign-Firmen, nicht direkt miteinander vergleichbar sind, von einem unvollkommenen Markt). Der Kunde muss also erkennen, dass er von anderen Anbietern nicht das gleiche Produkt oder die gleiche Dienstleistung erhält.

Oftmals muss sich ein Unternehmen aber erst diesen Anspruch auf seine Einzigartigkeit verdienen, beispielsweise, in dem es sich zuvor einen guten fachlichen Ruf mit dem traditionellen Cost-plus Pricing aufbaut.

Es ist möglicherweise sinnvoll, dem potentiellen Kunden verschiedene 'Pakete' mit festen Preisen anzubieten. Der Kunde kann dann für sich für jedes Paket den Wert bestimmen und auf dieser Basis rational entscheiden, was für ihn die beste Wahl ist. Bei den Preisen sollte der Anbieter kein Entgegenkommen zeigen, sich also nicht im Preis 'drücken' lassen. Falls die eigenen Angebote für den potentiellen Kunden keine guten Investitionen darstellen, sollte man besser von einer Zusammenarbeit Abstand nehmen.

Wenn man den Wert der eigenen Produkte und Dienstleistungen für den potentiellen Kunden bespricht und klar herausstellen kann, schafft das Vertrauen. Der Kunde sieht, dass man interessiert ist, seine speziellen Probleme zu verstehen und individuell zu lösen. Durch intensive Beschäftigung mit dem Problemen des Kunden kann der Anbieter seine Kompetenz zeigen.

Wenn dem Anbieter das Problem seines Kunden genauso klar ist wie diesem selbst, ist gewährleistet, dass er exakt im Sinne des Kunden handelt und ein Produkt oder eine Dienstleistung mit maximalem Wert liefert.

Der Anbieter, der dem Kunden dabei hilft, sich über seine eigenen Probleme besser klar zu werden, hilft dem Kunden damit auch, die Angebote verschiedener Dienstleister besser miteinander zu vergleichen. Und da er seinen potentiellen Kunden so gut versteht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sein Angebot passgenau ist. Außerdem gibt es vielleicht 'Bonuspunkte' dafür, dass er seinem Kunden dabei geholfen hat, seine eigenen Probleme besser zu erkennen.

Die wertorientierte Preisgestaltung ist langfristiger angelegt als die Cost-Plus-Preisgestaltung. Sie schafft im Idealfall die Voraussetzung für eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Anbieter und seinem Kunden und bringt vielleicht über Empfehlungen neue Kunden, die nicht 'auf den Euro schauen', sondern auf den Wert, den ihnen ein Produkt oder eine Dienstleistung bietet.

Wer mehr darüber erfahren möchte, dem sei das kostenlos als PDF-Datei herunterladbare englischsprachige eBook Breaking the Time Barrier vom Mike McDerment und Donald Cowper empfohlen, dass es hier gibt.



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