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Vom Umgang mit anderen Menschen

Wie wir gesehen haben, richtet sich beim Stoizismus der Fokus auf das, was wir unter vollständiger Kontrolle haben, also den Gebrauch unseres Verstandes. Das, was wir nicht unter unserer Kontrolle haben, ist indifferent, also nicht so wichtig.

Die Menschen um uns herum sind da aber meistens anders unterwegs. Sie streben oft nach dem, was nicht ihrer vollständigen Kontrolle unterliegt: Gesundheit, Wohlstand, Anerkennung.

Wie geht der Stoiker damit um?

Das Problem ist nicht neu, schon die Stoiker der Antike haben sich damit beschäftigt und einige Antworten dazu gefunden.

Der wichtigste Rat ist, sich auf den Umgang mit anderen Menschen vorzubereiten, sich also vorher Gedanken darüber zu machen. Epictetus rät uns, dass wir unseren Charakter formen und stärken, wenn wir alleine, also unbeeinflusst, sind, so dass es uns dann in Gesellschaft leichter fällt, uns selbst treu zu bleiben.

Bezüglich des Freundeskreises lautet der Rat der Stoiker, sich die Menschen auszusuchen, die unsere Werte teilen. Am besten umgeben wir uns dabei mit anderen Stoikern, die schon weiter fortgeschritten sind als wir, so dass wir von ihnen lernen können.

Meiden sollten wir, so der Rat der Stoiker, Menschen, die 'ungesunden Leidenschaften' frönen, da diese leicht auf uns übergreifen könnten, also beispielsweise Menschen, die sich ständig nur beklagen, wie schlecht sie es haben. Dieser Rat gilt in übertragenem Sinne dann auch für die gesellschaftlichen Funktionen, die wir wahrnehmen und die sozialen Ereignisse, an denen wir teilnehmen.

Da dieser Rat schon zweitausend Jahre alt ist, müssen wir ihn für unsere Zeit anpassen. Sich andere Stoiker als Freunde zu suchen, ist wohl schwierig, da es nicht so viele davon gibt. Auch können wir nicht den Kontakt mit Menschen vermeiden, die 'ungesunden Leidenschaften' haben. Eine Affinität zum Hedonismus und teilweise auch zum Opferdenken sind verbreitet und wir können diesen Menschen nicht ausweichen, sei es am Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld. Wir können nur versuchen, uns nicht davon vereinnahmen zu lassen und uns vielleicht als 'Gegengewicht' Menschen suchen, die keine 'ungesunden Leidenschaften' haben. Vom US-amerikanischen Motivationstrainer Jim Rohn stammt das Bonmot, dass wir der Durchschnitt der fünf Menschen sind, mit denen wir die meiste Zeit verbringen.

Die Stoiker äußern sich auch über romantische Beziehungen. Hier läuft es darauf hinaus, Sex nicht überzubewerten. Gaius Musonius Rufus rät etwa vom Sex außerhalb der Ehe ab und sagt, dass die Ehe nur dem Zweck diene, Kinder zu haben. Mark Aurel gibt den Rat, dass man, wenn man eine Frau begehrt, sie im Geiste analytisch zerlegen solle, beispielsweise in ihre Organe. Diese Vorstellung ist in der Form wohl heute kaum noch vermittelbar. Ich persönlich würde sie vielleicht für unsere Zeit so formulieren: wir sollten uns möglichst nicht von unseren Trieben beherrschen lassen.

Die Stoiker waren allerdings nicht gegen die Familie. So sagte Musonius beispielsweise, dass ein weiser Mann heiraten würde und er und seine Frau hart daran arbeiten würden, den anderen glücklich zu machen.




#stoizismus

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