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Risiko managen mit dem Erwartungswert (Expected Value)

In Unternehmen wie auch im Leben müssen Entscheidungen getroffen werden, die zukünftige Entwicklungen vorweg nehmen (ex ante), deren Eintritt unsicher ist. In diesem Artikel lernen Sie eine Methode kennen, mit Entscheidungen unter Unsicherheit umzugehen: den Erwartungswert (Expected Value).

Der Erwartungswert ist die Summe aller möglichen Werte für eine zufällige Variable, jeweils multipliziert mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit.

Ein praktisches Beispiel: Sie wetten mit jemanden, wie eine Münze fällt. Jeder leistet einen Einsatz von einem Euro. Liegt der Kopf oben, gewinnen Sie. Liegt die Zahl oben, ihr Mitspieler. Der Gewinner bekommt jeweils des gesamten Wetteinsatz (zwei Euro), der Verlierer nichts.

Der Erwartungswert, dass Sie gewinnen liegt bei einem Euro (2 Euro Gewinn * 50% Wahrscheinlichkeit). Der Erwartungswert, dass Ihr Mitspieler gewinnt, natürlich ebenso. Da Sie aber den Wetteinsatz von einem Euro investieren (dieser ist immer 'weg'), müssen Sie ihn noch abziehen, so dass der Erwartungswert tatsächlich 0 Euro ist. Damit lohnt sich - zumindest aus finanzieller Sicht - das Werfen einer Münze nicht.

Ein anderes Beispiel: Sie spielen Roulette und setzen einen Euro. Wenn die Zahl, auf die Sie gesetzt haben, gewinnt, erhalten Sie 25 Euro zusätzlich zu Ihrem Wetteinsatz. Das Roulette-Rad hat 38 Zahlen. Wie groß ist der Erwartungswert E? Sie werden in einem von 38 Fällen 25 Euro gewinnen und in 37 von 38 Fällen einen Euro verlieren:

E = -1 Euro * 37/38 + 25 Euro * 1/38 = -0,32 Euro

Es lohnt sich also unter diesen Bedingungen nicht, Roulette zu spielen (negativer Erwartungswert). Langfristig gewinnt das Casino.

Nun übertragen wir das auf eine unternehmerische Situation. Ihnen bietet sich eine Investitionsmöglichkeit. Der Investitionsbetrag liegt bei 50.000 Euro. Wenn die Konjunktur stabil bleibt, verdienen Sie damit 5.000 Euro. Verbessert sich die Konjunktur, erzielen Sie 10.000 Euro. Bricht die Konjunktur aber ein, machen Sie einen Verlust von 25.000 Euro. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Konjunktur stabil bleibt, liegt bei 40%, die Aussichten einer Verbesserung liegen bei 25%, die einer Verschlechterung bei 35%.

Um den Erwartungswert zu ermitteln, multipliziert man nun den potentiellen Gewinn/Verlust mit der Eintrittswahrscheinlichkeit:

Stabile Konjunktur:         5.000 Euro * 40% = 2.000 Euro
Verbesserte Konjunktur:     10.000 Euro * 25% = 2.500 Euro
Verschlechterte Konjunktur: -25.000 Euro * 35% = -8.750 Euro

Die Summe dieser Werte ergibt nun den Erwartungswert für dieses Geschäft:

2.000 Euro + 2.500 Euro - 8.750 Euro = -4.250 Euro

Ein positiver Erwartungswert ist ein Indikator dafür, die Investition zu tätigen, ein Erwartungswert von null oder ein negativer Erwartungswert rät hingegen davon ab. Da in diesem Beispiel der Erwartungswert negativ ist, sollte man diese Investition nicht tätigen.

Wie Sie sehen, schaut man sich nicht an, was das schlimmste oder beste ist, das passieren kann, sondern das, was man im Durchschnitt bei dieser Investition erwarten würde. Natürlich ist dieser Durchschnittswert ein theoretischer Wert und in der Praxis würden Sie in diesem Beispiel entweder 5.000 Euro oder 10.000 Euro Gewinn oder 25.000 Euro Verlust machen.

Dennoch ist der Erwartungswert ein gutes Hilfsmittel, um mit der unsicheren Zukunft umzugehen. Wenn man den Erwartungswert konsequent und kontinuierlich anwendet, trifft man zumindest im Durchschnitt bessere Entscheidungen. Natürlich ist es wichtig, auch das schlechteste Szenario bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Wenn seine Konsequenzen so schwerwiegend ist, dass sie das Unternehmen gefährden würden, sollte man sich eher gegen ein Geschäft entscheiden - auch wenn es einen positiven Erwartungswert hat!



#risikomanagement

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