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Den Gewinn im Blick behalten

Vermutlich leben viele kleine Unternehmen und Unternehmer von Zahlungseingang zu Zahlungseingang. Der Rückgang der Einnahmen führt dann oft zu ernsthaften Liquiditätsproblemen. Die einzige Hoffnung des Unternehmers auf Nachhaltigkeit liegt in der Steigerung des Umsatzes, doch dies führt meist auch zur Steigerung der Betriebsausgaben. Wenn das Unternehmen jedoch nicht profitabel ist, ist das keine Hilfe.


Gesunde Gewinne - Gesundes Unternehmen!

Ein möglicher Ausweg ist es, die nachhaltige Gewinnerzielung in den Vordergrund zu stellen. Dazu wird die übliche Formel

Gewinn = Verkaufserlöse - Ausgaben

umgestellt zu:

Ausgaben = Verkaufserlöse - Gewinn


Obgleich beide mathematisch natürlich völlig identisch sind, ändert sich der Blickwinkel deutlich. Die verfügbaren Mittel für die Betriebsausgaben werden limitiert. Das Unternehmen muss also mit den finanziellen Ressourcen betrieben werden, die nach Abzug des Gewinns übrig sind. Es ist also gezwungen, die knappen Ressourcen dort einzusetzen, wo sie den höchsten Nutzen bringen - also das Pareto-Prinzip anzuwenden. Die Idee hinter diesem Konzept, das sich Profit First nennt, stammt vom amerikanischen Serial Entrepreneur Mike Michalowicz und wird in seinem Buch Profit First: A Simple System To Transform Any Business From A Cash-Eating Monster To A Money-Making Machine ausführlich beschrieben.

Michalowicz schlägt vor, den Gewinnanteil an eingehenden Zahlung regelmässig auf ein separates 'Gewinnkonto' zu überweisen, so dass der Zugriff darauf erschwert ist. Das ist vielleicht vergleichbar damit, dass ein Abnehmwilliger keine Süßigkeiten zu Hause bevorratet, so dass er nicht in Versuchung geführt werden kann.

Mike Michalowicz gibt auch Empfehlungen, wie groß denn der Gewinn und die Zahlungen an die Eigentümer sein sollten, abhängig von den Einnahmen.

Um die 'Gesundheit' eines Unternehmens zu bewerten, führt man folgende Rechnung in einer Tabellenkalkulation durch:

Ist
Soll

(%)
Soll

(€)
Überschreitung
Einnahmen
 78.000,00 € 

- Material/Externe DL
 5.000,00 € 
= Wahre Einnahmen
73.000,00 € 
100% 
73.000,00 € 
- Gewinn
0,00 € 
5% 
3.650,00 € 
-3.650,00 € 
- Zahlung an Eigentümer
48.000,00 € 
50% 
36.500,00 € 
11.500,00 € 

- Steuern
9.800,00 € 
15% 
10.950,00 € 
-1.150,00 € 

= Betriebsausgaben
15.200,00 € 
30% 
21.900,00 € 
6.700,00 € 

In der Spalte Einnahmen trägt man die Summe der Verkaufserlöse der letzten zwölf Monate ein.

Für Einzelhändler, das produzierende Gewerbe und Firmen, die den größten Teil ihres Umsatzes mit dem Weiterverkauf oder der Produktion von Inventar verbringen, werden in der Spalte Material/Externe Dienstleister die Ausgaben für Material (keine Arbeit!) der letzten zwölf Monate erfasst.

Wenn Externe Dienstleister die meisten Dienstleistungen liefern, die man weiterverkauft, werden die Ausgaben für diese in den letzten zwölf Monaten hier eingetragen. Falls neben Ausgaben für Subdienstleister auch welche für Material anfielen, werden sie hier hinzuaddiert.  Dienstleistungsunternehmen, deren Leistungen überwiegend von eigenem Personal erbracht werden, tragen in die Spalte Material/Externe Dienstleister nichts oder Null ein.

Die Wahren Einnahmen berechnet man als die Differenz zwischen den Einnahmen und dem Betrag für Material/Externe Dienstleister. Die Wahren Einnahmen sind der Wert, aus dem sich die absoluten Werte für den Gewinn, die Zahlung an den EigentümerSteuern (Soll) und Betriebsausgaben (Soll) errechnen. Die Zahlung an Eigentümer umfasst die regulären Zahlungen, wie das Gehalt aus der eigenen GmbH oder Privatentnahmen. Der Gewinn sollte möglichst im Unternehmen verbleiben, um Rücklagen zu bilden und das Wachstum des Unternehmens zu finanzieren. Allerdings kann eine anteilige Gewinnausschüttung an die Eigentümer erfolgen.


Die Ist-Werte für den Gewinn, die Zahlung an EigentümerSteuern und Betriebsausgaben werden entsprechend eingetragen.


Anhand einer Tabelle mit Sollwerten werden die relativen Soll-Anteile für den Gewinn, die Zahlung an EigentümerSteuern und Betriebsausgaben eingesetzt (Spalte Soll %).

Aus dem Ist-Wert der Wahren Einnahmen und den jeweiligen Prozentsätzen werden dann jeweils die Soll-Werte und die Fehlbeträge errechnet.

Dort, wo die Soll- von den Ist-Werten abweichen, muss die Verteilung der tatsächlichen Erlöse entsprechend angepasst werden, damit das Unternehmen nachhaltig gesund wird und bleibt.

In obigem Beispiel sieht mann, dass das Unternehmen keinen Gewinn gemacht hat, die Eigentümer sich 11.500 € mehr ausgezahlt haben als sie das tun sollten, die Steuern geringer als erwartet ausgefallen sind, aber die Betriebsausgaben über dem Soll-Wert lagen. Es besteht also akuter Handlungsbedarf bei der Verteilung der Einnahmen, damit das Unternehmen nicht mittelfristig in Schwierigkeiten gerät.

Die Soll-Prozentsätze stammen aus einer Tabelle, die Mike Michalowicz anhand seiner Erfahrungen zusammengestellt hat:


Soll-WerteABCDE F
Bereich für
Wahre Einnahmen (€)
<250.000250.000-500.000 500.000-
1 Mio 
1 Mio-
5 Mio 
5 Mio-
10 Mio 
10 Mio-
50 Mio 
Wahre Einnahmen (%) 100% 100% 100% 100% 100% 100% 
Gewinn (%)5% 10% 15% 10% 15% 20% 
Zahlung an Eigentümer (%)50% 35% 20% 10% 5% 0% 
Steuern (%)15% 15% 15% 15% 15% 15% 
Betriebsausgaben (%)30% 40%  50% 65% 65% 65% 


Für die sechs Unternehmensgröße A-F bestimmt man anhand des Wertes für die Wahren Einnahmen die relativen Werte für Gewinn, Zahlung an Eigentümer, Steuern und Betriebsausgaben. Bei den Steuern muss man möglicherweise Anpassungen vornehmen, da die Werte aus den USA stammen und das Steuerrecht ja dauernden Änderungen unterliegt.

Man sollte die Werte in der Tabelle als Richtwerte verstehen. Falls man geeignetere Werte hat, beispielsweise für die eigene Branche, sollte man diese verwenden.

Einführung im eigenen Unternehmen

Gründet man ein neues Unternehmen, ist es empfehlenswert, mit abweichenden Werten zu starten. Man beginnt mit 1% Gewinn, 50% Zahlungen an die Eigentümer, 15% für die Steuern, 34% für die Betriebsausgaben und steigert den Gewinnanteil dann quartalsweise bei gleichzeitiger Absenkung des Anteils für die Betriebsausgaben um jeweils einen Prozentpunkt, bis man die Soll-Werte erreicht hat.

Besteht ein Unternehmen bereits und man will es auf das hier vorgestellte Konzept umstellen, ermittelt man den anfänglichen Prozentsatz für den Gewinn und die Steuern aus einer Wettbewerbsanalyse (Auswertung von öffentlich verfügbaren Finanzdaten von direkten Wettbewerbern oder Unternehmen in einem ähnlichen Bereich). Man sollte jeweils mindestens fünf Unternehmen dazu heran ziehen. Alternativ man startet mit den erhobenen Ist-Werten (siehe oben) und führt sie dann an die Soll-Werte heran.

Wenn einem die Soll-Werte für die Zahlung an den Eigentümer (oder die Eigentümer) für seine Situation unpassend erscheinen, beispielsweise weil das Geld dann zum Leben nicht reichen würde, kann man sie auch nach den (angemessenen) Lebenshaltungskosten der Eigentümer oder nach einem typischen Gehalt für die Tätigkeiten des Eigentümers im Unternehmen bemessen. Ziel sollte es aber sein, die empfohlenen Werte zu erreichen, am Besten natürlich durch das Wachstum des Unternehmens.

Überleben ohne Geldzufluss

Der Gewinn, der ja im Unternehmen verbleibt, ist auch eine Notfall-Reserve für schlechte Zeiten. Diese Notfall-Reserve sollte in kurzfristig verfügbaren Geldmitteln angelegt werden.

Als grobe Faustregel kann man für die Überlebensdauer eines Unternehmens ohne Zahlungseingang folgende Zeiträume zugrunde legen:
  • 3 Wochen bei 5% Gewinnanteil
  • 2 Monate bei 12% Gewinnanteil
  • 5 Monate bei 24% Gewinnanteil
Die nichtlineare Steigerung kommt daher, dass mit zunehmendem Gewinnanteil tendenziell auch die Effizienz ansteigt.

Die Notfall-Reserve sollte am Jahresende soweit abgeschmolzen werden, dass sie für drei Monate ohne Zahlungseingang ausreicht. Der abgeschmolzene Gewinn-Anteil kann entweder in Investitionen fließen oder in Kapitalanlagen investiert werden. Natürlich hat die Begleichung der Steuerschuld Vorrang. Auch der Abbau von Schulden sollte erwogen werden, wobei hier die Entscheidung aber nicht immer so offensichtlich ist, da beispielsweise der Leverage-Effekt berücksichtigt werden muss.

Möglichkeiten, den Gewinn zu erhöhen

Um das Unternehmen profitabler zu machen, muss die Effizienz gesteigert werden. Dies sollte gegenüber der Steigerung des Umsatzes bevorzugt werden.

Man sollte dabei nicht nur kleine Effizienzverbesserungen im Auge haben, sondern auch große (‘das doppelte Ergebnis mit dem halben Aufwand’).

‘Schlechte’ Kunden sollten ‘gefeuert’ und Top-Kunden ‘geklont’ werden. Dies trägt ebenfalls zur Effizienzsteigerung bei. Bei der Entwicklung neuer Produkte sollte mal immer darauf achten, ob sich diese rechnen (z. B. Investitionskosten, laufende Betriebsausgaben).

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt zur Gewinnsteigerung ist die Verringerung von Komplexität, denn diese ist oftmals ein Kostentreiber. Ein Beispiel wäre die Verringerung der Produktvielfalt, die meist zu einfacheren Produktionsabläufen führt.

Man sollte auch prüfen, ob man nicht zu viele Mitarbeiter beschäftigt. Eine grobe Faustregel für die maximal zulässige Anzahl der Mitarbeiter ist, die Wahren Einnahmen durch einen bestimmten Wert zu teilen (beispielsweise 250.000 € Wahre Einnahmen pro Mitarbeiter als grober Richtwert).



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